Unser offener Brief

Die Bedrohung unserer Moore durch zukunftsferne Infrastrukturprojekte, wie den Neubau und die Erweiterung von Autobahnen und Gewerbeansiedlungen ist ein drängendes Umweltproblem.
Nicht nur der immer stärker voranschreitende anthropogene Klimawandel bringt immense Herausforderungen mit sich, auch der Verlust an Biodiversität und Lebensräumen nimmt Tag für Tag zu und gefährdet unsere Lebensgrundlage. Weltweit sind mehr als eine Million Arten mittlerweile vom Aussterben bedroht, jeden Tag sterben etwa 150 Arten aus und sind dadurch für immer verloren, oft bevor sie überhaupt durch den Menschen entdeckt und beschrieben wurden. Wir befinden uns mittlerweile im 6. Großen Massenaussterben (1)! Auch in Deutschland findet ein drastischer Biodiversitätsschwund statt. Laut kürzlich veröffentlichtem Faktencheck zur Artenvielfalt in Deutschland ist ein Großteil der Lebensraumtypen in einem schlechten Zustand. Am schlechtesten steht es um ehemals artenreiche Äcker und Grasland, Moore, Moorwälder, Sümpfe und Quellen (2).

Naturnahe Moore sind die wichtigsten terrestrischen Kohlenstoffspeicher, bieten Lebensräume für viele bedrohte Arten sowie zahlreiche Ökosystemleistungen wie Wasserrückhalt, Hochwasserschutz und Verbesserung des Lokalklimas von denen die Gesellschaft in vielfacher Hinsicht (auch wirtschaftlich) profitiert (3). Die Entwässerung von Mooren (in Deutschland 95 % der Moorgebiete) verursacht hingegen etwa 7 % der gesamten deutschen Treibhausgasemissionen (4), wodurch die Klimakrise weiter befeuert wird. 

Diese Erkenntnisse über die Klimawirkung und Biodiversität führen zu der einzigen Konsequenz, dass die wenigen übrig gebliebenen intakten Moore Deutschlands unter keinen Umständen zerstört werden dürfen. Darüber hinaus müssen viele Moore wiedervernässt und in einen möglichst naturnahen und emissionsarmen Zustand versetzt werden. Dadurch können die positiven Eigenschaften der Moore in Teilen wiederhergestellt werden. Die Wiederherstellung der Moore allein wird die beschriebenen Krisen nicht bewältigen, doch werden ohne eine möglichst umfassende Wiedervernässung weder Deutschlands Klimaziele erreicht, noch der rasante Biodiversitätsschwund gestoppt. Die Transformation unserer Landnutzung ist ein langfristiger und anstrengender Prozess, welchen wir als Gesellschaft stemmen müssen und können. Ein erster und wichtiger Schritt wäre dafür ein sofortiger Stopp unnötiger bzw. unverantwortlicher Moorzerstörung. Die scheidende Bundesregierung erkannte den Moorschutz als Gegenstand des öffentlichen Interesses an, verabschiedete eine Nationale Moorschutzstrategie (5) und stellte Mittel (u.a. über das Aktionsprogramm Natürlicher Klimaschutz) zur Verfügung. Jedoch zeigt sich, dass die Ambitionen immer noch nicht ausreichen, um die ehrgeizigen Ziele der Bundesregierung zu erreichen (6,7).

Vor diesem Hintergrund stellt sich die Frage, warum für die Ausweitung von Infrastrukturprojekten weiterhin Deutschlands Moore bedroht werden. Weiterhin werden vorgeschobene, kurzfristige Wirtschaftsinteressen über den Naturschutz gehoben. Wir beziehen uns dabei unter anderem auf folgende Projekte:

"Zukunftshafen Rostock"
Die geplante Erweiterung des Rostocker Hafens stellt ein solches Vorhaben dar, bei dem rund 80 ha (8) naturnahes Moor bedroht werden und unwiederbringlich zerstört werden sollen. Solche Verluste können auch nicht durch Ausgleichsmaßnahmen kompensiert werden.

"Küstenautobahn A20"
Den 2017 im Moor versunkenen Teilabschnitt der Autobahn 20 zu reparieren dauerte 6 Jahre und kostete knapp 180 Millionen Euro (9). Der weiterhin geplante und teilweise bereits gebaute 200 km lange Neubau der A 20 führt zu über 50 % über organische Böden und zerstört deren Vernässungspotenzial. Mit laut aktueller Kostenschätzung über 7 Milliarden Euro wird hier eine Dauerbaustelle im Moor entstehen (10).

"A26 Ost"
Die lediglich zehn Kilometer lange Autobahn-Verbindung im Süden Hamburgs, soll alles in allem rund 2,3 Milliarden Euro kosten. Dieser Autobahnneubau stellt erhebliche Eingriffe in Natur und Landschaft dar: Moorböden sollen abgebaggert und Lebensräume zerschnitten werden (11).

Solche Infrastrukturprojekte zerstören in Folge wertvolle Biotope. Zudem blockieren diese auch Möglichkeiten zukünftig vor Ort, Natur weitgehend wiederherzustellen und ihr den Raum zu geben, der ihr durch kurzfristiges menschliches Handeln genommen wurde. Wir dürfen und werden nicht zulassen, dass kurzfristige Profit-Interessen die langfristigen Umwelt- und Klimaauswirkungen (und damit verbunden auch wirtschaftlichen Interessen) ignorieren. Es ist an der Zeit, dass wir Maßnahmen ergreifen, um unsere Moore zu schützen und zu erhalten und ihren ökologischen Zustand drastisch zu verbessern.

Unsere Forderungen:

1. Dem Erhalt von Mooren und organischen Böden muss eine signifikante Priorisierung bei der Planung und Umsetzung von Wirtschafts- und Infrastrukturprojekten zukommen. Naturnahe und wiedervernässbare Moore schließen die Durchführung von zerstörerischen Maßnahmen vollständig
aus. Trockengelegte Moore müssen wiedervernässt und ihr weiterer Schutz als Lebensraum und Rückzugsort für gefährdete Arten ins Zentrum gestellt werden.

2. Naturzerstörende Infrastrukturprojekte wie der Bau der A26 Ost sowie die Erweiterung der A20 und des Rostocker Hafens müssen gestoppt werden. Sie sind weder in Hinblick auf Klima- und Naturschutz, noch angesichts der notwendigen Mobilitätswende tragbar.

3. Die Transformation der entwässerungsbasierten Landwirtschaft auf Moorböden (die den Hauptteil der Moorfläche in Deutschland einnimmt) hin zu einer wasser- und kohlenstoffspeichernden Landnutzung ist zu forcieren. Die Förderung von Forschung sowie praktischen Wiedervernässungsmaßnahmen und Paludikultur sollte von Regierungsebene auch mit den entsprechenden politischen Instrumentarien stärker vorangetrieben werden. Gleichzeitig müssen Subventionen für Landwirtschaft auf entwässerten Moorböden schrittweise entzogen werden, die im Rahmen der Gemeinsamen Agrarpolitik (GAP) der EU bewilligt werden (12).

4. Strengere Schutzgebietsrichtlinien sowie deren Sicherstellung müssen in Deutschland umgesetzt werden. Dieser Schutz ist essenziell für die wirkliche Stärkung von bedrohten Ökosystemen und Biodiversität. Deutschland steht hier im internationalen Vergleich noch extrem schlecht dar (13). Die vollständige Umsetzung der Pflichten der seit 1976 in Deutschland ratifizierten Ramsar-Konvention sollte angestrebt werden, um diverse Moorflächen langfristig zu schützen. Die Wiederherstellungsverordnung der EU muss in aller Konsequenz zeitnah umgesetzt werden.

5. Zur Umsetzung und Sicherung dieser Maßnahmen bedarf es gesetzlicher Verankerungen auf Bundes- und Landesebene.

Als die Verantwortlichen für die Gestaltung unserer Zukunft müssen wir unsere natürlichen Ressourcen schützen und bewahren. Gemeinsam für den Schutz unserer Moore.

Die Zeit zum Handeln ist jetzt. Moor statt Asphalt.


ErstunterzeichnerInnen:

Ann-Kristin und Alexander Kornelsen, Mission to Marsh gGmbH

Prof. Dr. Gerald Jurasinski, Professur für Moorforschung, Universität Greifswald

Prof. Dr.-Ing. Helmut Holzapfel, Zentrum für Mobilitätskultur, Kassel

Johanna Romberg, Freie Autorin

Jutta Paulus, MdEP (Fraktion der Grünen / Freie Europäische Allianz)

Prof. Dr. Vera Luthard, Professur für Vegetationskunde und Angewandte Pflanzenökologie, HNE Eberswalde


Erstunterzeichnende Vereine/Initiativen:

BUND - Mecklenburg-Vorpommern e.V.

BUNDjugend - Mecklenburg-Vorpommern

BUNDjugend - Niedersachsen

Fridays For Future Greifswald

Koordinationskreis der Initiativen und Umweltverbände gegen die A 20

Moorbündnis, Greifswald

Rostock for Future, Rostock


Quellen:

1 Pauli, M. (2022): Das größte Massensterben seit 66 Millionen Jahre.
URL: https://www.deutschlandfunkkultur.de/biodiversitaet-artensterben-folgen-100.html

2 FEdA (2024): Faktencheck Artenvielfalt veröffentlicht.
URL: https://www.feda.bio/de/pressemitteilungen/faktencheck-artenvielfalt-veroeffentlicht/  

3 BfN(o.J.): Ökosystemleistungen. URL: https://www.bfn.de/oekosystemleistungen-0#anchor-3818 

4 Umweltbundesamt (2024): Treibhausgas-Emissionen aus Mooren.
URL: https://www.umweltbundesamt.de/bild/treibhausgas-emissionen-aus-mooren 

5 BMUV (2022): Nationale Moorschutzstrategie. URL: 
https://www.bmuv.de/download/nationale-moorschutzstrategie-kabinettsbeschluss 

6 Greifswald Moor Centrum (2020): Stellungnahme des Greifswald Moor Centrum zum Diskussionspapier Moorschutzstrategie der Bundesregierung.
URL: https://www.greifswaldmoor.de/files/dokumente/Infopapiere_Briefings/2020_Stellungnahme_Moorschutzstrategie_GMC_final.pdf 

7 Greifswald Moor Centrum (o.J.): Stellungnahme des Greifswald Moor Centrum zum Klimaschutzplan 2050. URL: https://greifswaldmoor.de/files/images/MoorDialog/GMC_Stellungnahme%20KSP2050.pdf 

8 UmweltPlan (2020): Ministerium für Energie, Infrastruktur und Digitalisierung MV. Gutachten zu den Vorbehaltsgebieten Gewerbe und Industrie Rostock-Seehafen Ost und Rostock-Seehafen West (Seehafengutachten).
URL: https://rathaus.rostock.de/media/4984/Seehafengutachten%20ohne%20Geotechn%20Bericht.pdf  S. 92

9 Zuschlag, A. (2023): Auf ein Neues im Moor. URL: https://taz.de/Eingebrochene-Kuestenautobahn/!5969256/ 

10 Koordinationskreis der Initiativen und Umweltverbände gegen die A 20 (2020): Die Kosten der Autobahn A20. URL: https://www.a20-nie.de/pdfs/a20-kosten-studie-stand-5.10.2020-endfassung.pdf 

11 NABU (o.J.): A26 Ost - Die Autobahn, die es nie geben darf! URL: https://hamburg.nabu.de/umwelt-und-ressourcen/stadtentwicklung/verkehr/a26ost/index.html 

12 Berghöfer, U.; Hüpperling, S. & Peters, J. (2023): Die große Moor-Transformation: Wie Moorschutz für das Klima gelingen kann. URL: https://www.boell.de/de/2023/01/10/die-grosse-moor-transformation-wie-moorschutz-fuer-das-klima-gelingen-kann 

13 Gatti, R. C. et al. (2023): Analysing the distribution of strictly protected areas toward the EU2030 target. In: Biodiversity and Conservation 32, S. 3157–3174. DOI: https://doi.org/10.1007/s10531-023-02644-5  

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Moor am Peezer Bach mir Hafen im Hintergund, Rostock (Foto: Amelie Lucks)
Moor am Peezer Bach mir Hafen im Hintergund, Rostock (Foto: Amelie Lucks)
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